Sonntag, 17. Februar 2013

Eine Lanze für Annette Schavan



Eine Lanze für Annette Schavan

Vorausschicken sollte ich vielleicht:

1. Ich bin KEIN Deutscher, sondern ein Österreicher.

2. Ich habe an KEINER Universität promoviert, sondern ich bin nur ein pensionierter Volksschullehrer.

3. Ich habe Frau Schavans Dissertation niemals gelesen und kenne Frau Schavan nur aus den Medien und vom Twitter.

4. Ich habe auch noch nie eine Deutsche Uni von innen gesehen.

5. Alle meine Informationen stammen von Wikipedia oder vielleicht auch anderen Quellen im Internet (…die ich natürlich zitieren werde, um mich keines Plagiats schuldig zu machen.)

Und eben diese Informationen haben mich doch etwas stutzig gemacht.
Ich denke mal eben nur ein bisschen nach:

Schon die Plagiatsaffäre um den (Ex-)Verteidigungsminister unserer deutschen Nachbarn, Karl-Theodor zu Guttenberg  kam mir etwas seltsam vor. Aber was mit der armen Annette Schavan passiert ist, schlägt offenbar „dem Fass die Krone ins Gesicht“!

Meine Informationen (nach Wikipedia) lauten so:

Frau Schavan (geb. 1955) hat an den Universitäten Düsseldorf und Bonn von 1974 bis zu ihrer Promotion1980 insgesamt 12 Semester (also 6 Jahre) Erziehungswissenschaften, Philosophie und Katholische Theologie studiert.

Wie wird man - oder auch wurde man in den 70er-Jahren - (nach Wikipedia) an den Universitäten in Düsseldorf, Bonn oder sonst wo in Deutschland zum Dr. phil.?

Frau Schavan wählte die (heute an den meisten deutschen Universitäten um 1990 für die große Mehrheit der Fächer abgeschaffte) Form der „grundständigen Promotion“. Das heißt, sie hat vom Studienbeginn an nur die Promotion als Abschluss angestrebt.

An manchen geisteswissenschaftlichen Fakultäten konnten früher überdies in Haupt- und den Nebenfächern hervorragende Studenten ohne vorheriges Abschlussexamen ausnahmsweise, nach zweifacher Pofessorenbegutachtung, zur Promotion zugelassen werden.

Damit aber noch nicht genug:

Die meisten Promotionsordnungen fordern zudem bestimmte Gesamt- oder Examensnoten (Im Allgemeinen mindestens die Gesamtnote „Gut“) für die Zulassung zur Promotion bzw. zu einem Doktoratsstudium.

Und jetzt zu der sogenannten „Dissertation“:

Die Dissertation oder Doktorarbeit als letzte Voraussetzung für die Promotion zum Dr. (irgendwas) ist eine schriftliche Arbeit, die neue wissenschaftliche Erkenntnisse enthält und je nach Fach 2 bis 5 Jahre dauern kann.

Und jetzt kommt’s:

In dieser Zeit wird der Doktorand von einem zumeist habilitierten Wissenschaftler, einem sogenannten Doktorvater, im Allgemeinem einem Professor oder einer Professorin, betreut.
Ist die Dissertation fertig und an die Universität eingereicht, folgt eine mündliche Promotionsleistung. Sie besteht aus einer Disputation, einer Verteidigung und einem Rigorosum, die von ausgewählten Vertretern der Fakultät abgenommen werden.
Unter Disputation versteht man ein Fachgespräch, bei dem die in der Dissertation aufbereiteten Themen diskutiert werden.
In der Verteidigung muss der Promovend die in seiner Dissertation eingereichten Themen begründen und verteidigen.
Und im Rigorosum wird der Doktorand noch über weitere Themenbereiche aus seinem Doktoratsfach geprüft.

Das Verfahren ist aber erst endgültig abgeschlossen, wenn die Dissertation (innerhalb einer bestimmten Zeit) öffentlich zugänglich gemacht worden ist. Dies kann in Buchform, als Hochschulschrift oder als Mikrofilm, heute auch im Internet geschehen.
Erst dann erhält der Doktorand die Promotionsurkunde und damit das Recht, den akademischen Grad „Doktor“ zu führen.

So. - Wie viele Kontrollinstanzen durchläuft also so eine Dissertation?

Zunächst muss man Frau Schavan einmal zu Gute halten, dass eine Dissertation eine gewaltige Recherche- und Forschungsarbeit erfordert. Sie war damals, als sie die Doktorarbeit abfasste, zwischen 20 und 25 Jahre alt (geb. 1955!). 
Eine Doktorarbeit macht man nicht jeden Tag, daher kann man ihr höchstens mangelnde Erfahrung in solchen Dingen vorwerfen. Auf keinen Fall aber Betrugsabsicht, nicht einmal an Schlamperei kann ich glauben!
Warum?
Nun, es dürfte ja allgemein bekannt sein, dass auch heute noch nicht selten Frauen, die zwar die gleichen Leistungen wie Männer in der gleichen Position erbringen, mehr um ihre Anerkennung kämpfen müssen, als eben diese männlichen Kollegen.
In den 70er-Jahren war das oft noch schwieriger. Sie musste also, um anerkannt zu werden, um die größtmögliche Korrektheit bemüht sein. Da war ganz bestimmt kein Platz für Schlamperei, oder gar für Betrug!
Es kommt ja oft vor, dass man irgendeinmal etwas gehört oder gelesen hat, das dann genau dort hinpasst, wo man es dann auch hinzufügt. – Ohne darüber weiter nachzudenken, dass das gerade eben die Gedanken eines Anderen waren, die man eben einfach im Kopf hatte, ohne sich mehr daran erinnern zu können, dass man es irgendwo einmal gelesen oder gehört hatte. – Sollte man alles, was man einmal irgendwo von irgend jemanden gelernt hat und damit in sein eigenes Wissen und Denken integriert hat, zitieren müssen, müsste man wohl beim Zitieren spätestens mit dem Erwerb der Schreib- und Lesefertigkeit mit der Fibel der Taferlklassler beginnen!

Um diesen Erfahrungsmangel auszugleichen, sie zu beraten und zu führen, und sie damit auch auf allfällige fehlende Zitierungen von Fremdquellen aufmerksam machen zu können, stellte man ihr eben einen „Doktorvater“ zur Verfügung. Was das ist, habe ich schon weiter oben erklärt.

Dem Herrn Professor oder der Frau Professorin (Ich weiß nicht wer’s war.) ist offenbar nichts aufgefallen.

In den folgenden mündlichen Promotionsleistungen mussten „ausgewählte Vertreter der Fakultät“ mit der Doktorandin die Themen der Dissertation diskutieren und kritisieren, um der Doktorandin Gelegenheit zu geben, die von ihr in ihrer Dissertation aufgestellten Thesen und Forschungsergebnisse zu verteidigen.
Dazu mussten die Herren und/oder Damen der Fakultät die Dissertation zumindest gelesen haben – sonst hätten sie ja nicht darüber reden können und schon gar nicht Kritik äußern können.

Den „ausgewählten Vertretern der Fakultät“ ist dabei aber offensichtlich nichts aufgefallen.

In welcher Form Frau Schavan ihre Dissertation veröffentlicht hat, weiß ich natürlich nicht genau. Es scheint in Buchform stattgefunden zu haben. Internet gab’s damals jedenfalls noch keines. Das ist aber hier auch gar nicht so wichtig.

Fest steht, dass sicher genügend Leute vom Fach ausreichend Gelegenheit gehabt haben müssen, sich die Dissertation anzuschauen – gemeint ist: gelesen zu haben.
Auch diesen potentiellen Begutachtern ist offenbar nichts aufgefallen.

Herrn Gerhard Wehle, bei dem sie als dessen Schülerin an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf promovierte, ist auch nichts aufgefallen.

Frau Schavan durfte also (bis vor kurzem) darauf vertrauen, dass sie bei ihrer Dissertation alles richtig gemacht hatte. – Wäre es nicht so gewesen, hätte sie ja zumindest irgendeine der Kontrollinstanzen darauf aufmerksam machen müssen!

Aber nachdem ihre Dissertation mindestens 4 Kontrollinstanzen anstandslos durchlaufen hat, stellt sich mir die Frage:

Wer hat hier nun wirklich die nötige Sorgfaltspflicht verletzt?

Oder bezweckten diese selbsternannten „Plagiatsjäger“ nur, eine ambitionierte Politikerin, die offenbar eine schrittweise Erhöhung der Ausgaben und Förderungen für ihre Bildungspolitik für manche zu langsam vollzog (vollziehen musste?), auf diese hinterhältige Weise „zur Strecke zu bringen“, indem sie ihren guten Ruf vernichteten?

Harald Geyer 

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