Eine Lanze für Annette Schavan
Vorausschicken sollte ich
vielleicht:
1. Ich bin KEIN Deutscher,
sondern ein Österreicher.
2. Ich habe an KEINER
Universität promoviert, sondern ich bin nur ein pensionierter Volksschullehrer.
3. Ich habe Frau Schavans Dissertation
niemals gelesen und kenne Frau Schavan nur aus den Medien und vom Twitter.
4. Ich habe auch noch nie
eine Deutsche Uni von innen gesehen.
5. Alle meine Informationen
stammen von Wikipedia oder vielleicht auch anderen Quellen im Internet (…die ich
natürlich zitieren werde, um mich keines Plagiats schuldig zu machen.)
Und eben diese Informationen
haben mich doch etwas stutzig gemacht.
Ich denke mal eben nur ein
bisschen nach:
Schon die Plagiatsaffäre um
den (Ex-)Verteidigungsminister unserer deutschen Nachbarn, Karl-Theodor zu
Guttenberg kam mir etwas seltsam vor. Aber
was mit der armen Annette Schavan passiert ist, schlägt offenbar „dem Fass die
Krone ins Gesicht“!
Meine Informationen (nach Wikipedia) lauten so:
Frau Schavan (geb. 1955) hat
an den Universitäten Düsseldorf und Bonn von 1974 bis zu ihrer Promotion1980
insgesamt 12 Semester (also 6 Jahre) Erziehungswissenschaften, Philosophie und
Katholische Theologie studiert.
Wie wird man - oder auch wurde man in den 70er-Jahren - (nach
Wikipedia) an den Universitäten in Düsseldorf, Bonn oder sonst wo in Deutschland
zum Dr. phil.?
Frau Schavan wählte die
(heute an den meisten deutschen Universitäten um 1990 für die große Mehrheit
der Fächer abgeschaffte) Form der „grundständigen Promotion“. Das heißt, sie
hat vom Studienbeginn an nur die Promotion als Abschluss angestrebt.
An manchen
geisteswissenschaftlichen Fakultäten konnten früher überdies in Haupt- und den
Nebenfächern hervorragende Studenten ohne vorheriges Abschlussexamen
ausnahmsweise, nach zweifacher Pofessorenbegutachtung, zur Promotion zugelassen
werden.
Damit aber noch nicht genug:
Die meisten
Promotionsordnungen fordern zudem bestimmte Gesamt- oder Examensnoten (Im
Allgemeinen mindestens die Gesamtnote „Gut“) für die Zulassung zur Promotion
bzw. zu einem Doktoratsstudium.
Und jetzt zu der sogenannten „Dissertation“:
Die Dissertation oder
Doktorarbeit als letzte Voraussetzung für die Promotion zum Dr. (irgendwas) ist
eine schriftliche Arbeit, die neue wissenschaftliche Erkenntnisse enthält und
je nach Fach 2 bis 5 Jahre dauern kann.
Und jetzt kommt’s:
In dieser Zeit wird der
Doktorand von einem zumeist habilitierten Wissenschaftler, einem sogenannten Doktorvater, im Allgemeinem einem
Professor oder einer Professorin, betreut.
Ist die Dissertation fertig
und an die Universität eingereicht, folgt eine mündliche Promotionsleistung.
Sie besteht aus einer Disputation, einer Verteidigung und einem Rigorosum, die
von ausgewählten Vertretern der Fakultät
abgenommen werden.
Unter Disputation versteht
man ein Fachgespräch, bei dem die in der Dissertation aufbereiteten Themen
diskutiert werden.
In der Verteidigung muss der
Promovend die in seiner Dissertation eingereichten Themen begründen und
verteidigen.
Und im Rigorosum wird der
Doktorand noch über weitere Themenbereiche aus seinem Doktoratsfach geprüft.
Das Verfahren ist aber erst
endgültig abgeschlossen, wenn die Dissertation (innerhalb einer bestimmten
Zeit) öffentlich zugänglich gemacht worden ist. Dies kann in Buchform, als
Hochschulschrift oder als Mikrofilm, heute auch im Internet geschehen.
Erst dann erhält der
Doktorand die Promotionsurkunde und damit das Recht, den akademischen Grad
„Doktor“ zu führen.
So. - Wie viele Kontrollinstanzen durchläuft also so
eine Dissertation?
Zunächst muss man Frau
Schavan einmal zu Gute halten, dass eine Dissertation eine gewaltige Recherche-
und Forschungsarbeit erfordert. Sie war damals, als sie die Doktorarbeit
abfasste, zwischen 20 und 25 Jahre alt (geb. 1955!).
Eine Doktorarbeit macht
man nicht jeden Tag, daher kann man
ihr höchstens mangelnde Erfahrung in solchen Dingen vorwerfen. Auf keinen Fall
aber Betrugsabsicht, nicht einmal an Schlamperei kann ich glauben!
Warum?
Nun, es dürfte ja allgemein
bekannt sein, dass auch heute noch nicht selten Frauen, die zwar die gleichen
Leistungen wie Männer in der gleichen Position erbringen, mehr um ihre
Anerkennung kämpfen müssen, als eben diese männlichen Kollegen.
In den 70er-Jahren war das
oft noch schwieriger. Sie musste also, um anerkannt zu werden, um die
größtmögliche Korrektheit bemüht sein. Da war ganz bestimmt kein Platz für
Schlamperei, oder gar für Betrug!
Es kommt ja oft vor, dass
man irgendeinmal etwas gehört oder gelesen hat, das dann genau dort hinpasst,
wo man es dann auch hinzufügt. – Ohne darüber weiter nachzudenken, dass das
gerade eben die Gedanken eines Anderen waren, die man eben einfach im Kopf
hatte, ohne sich mehr daran erinnern zu können, dass man es irgendwo einmal
gelesen oder gehört hatte. – Sollte man alles, was man einmal irgendwo von
irgend jemanden gelernt hat und damit in sein eigenes Wissen und Denken
integriert hat, zitieren müssen, müsste man wohl beim Zitieren spätestens mit
dem Erwerb der Schreib- und Lesefertigkeit mit der Fibel der Taferlklassler
beginnen!
Um diesen Erfahrungsmangel
auszugleichen, sie zu beraten und zu führen, und sie damit auch auf allfällige fehlende
Zitierungen von Fremdquellen aufmerksam machen zu können, stellte man ihr eben einen
„Doktorvater“ zur Verfügung. Was das ist, habe ich schon weiter oben erklärt.
• Dem Herrn Professor oder der
Frau Professorin (Ich weiß nicht wer’s war.) ist offenbar nichts aufgefallen.
In den folgenden mündlichen Promotionsleistungen mussten
„ausgewählte Vertreter der Fakultät“ mit der Doktorandin die Themen der
Dissertation diskutieren und kritisieren, um der Doktorandin Gelegenheit zu
geben, die von ihr in ihrer Dissertation aufgestellten Thesen und
Forschungsergebnisse zu verteidigen.
Dazu mussten die Herren und/oder
Damen der Fakultät die Dissertation zumindest gelesen haben – sonst hätten sie
ja nicht darüber reden können und schon gar nicht Kritik äußern können.
• Den „ausgewählten Vertretern der Fakultät“ ist dabei
aber offensichtlich nichts aufgefallen.
In welcher Form Frau Schavan
ihre Dissertation veröffentlicht hat, weiß ich natürlich nicht genau. Es scheint in Buchform stattgefunden zu haben. Internet gab’s
damals jedenfalls noch keines. Das ist aber hier auch gar nicht so wichtig.
• Fest steht, dass sicher genügend Leute vom Fach
ausreichend Gelegenheit gehabt haben müssen, sich die Dissertation anzuschauen –
gemeint ist: gelesen zu haben.
Auch diesen potentiellen
Begutachtern ist offenbar nichts aufgefallen.
• Herrn Gerhard Wehle, bei dem sie als dessen
Schülerin an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf promovierte, ist auch
nichts aufgefallen.
Frau Schavan durfte also
(bis vor kurzem) darauf vertrauen, dass sie bei ihrer Dissertation alles
richtig gemacht hatte. – Wäre es nicht so gewesen, hätte sie ja zumindest
irgendeine der Kontrollinstanzen darauf aufmerksam machen müssen!
Aber nachdem ihre
Dissertation mindestens 4 Kontrollinstanzen anstandslos durchlaufen hat, stellt
sich mir die Frage:
Wer hat hier nun wirklich die nötige Sorgfaltspflicht
verletzt?
Oder bezweckten diese
selbsternannten „Plagiatsjäger“ nur, eine ambitionierte Politikerin, die offenbar
eine schrittweise Erhöhung der Ausgaben und Förderungen für ihre
Bildungspolitik für manche zu langsam vollzog (vollziehen musste?), auf diese
hinterhältige Weise „zur Strecke zu bringen“, indem sie ihren guten Ruf
vernichteten?
Harald Geyer
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