Samstag, 6. April 2013

Schule, Stress und Burnout



unorthodoxe (?) Gedanken zu Schule und Bildung

-          Ach ja: Der Text ist geschlechtsneutral zu verstehen, daher erspare ich es mir wegen der leichteren Lesbarkeit, von z.B. Schülern und Schülerinnen zu sprechen, oder die hässliche Form mit dem angefügten „–Innen“ zu verwenden!

Das Wichtigste erst einmal vorweg:

Was ist „Schule“ und was bedeutet „Schulpflicht“?

Ich zitiere ganz einfach einmal aus „Wikipedia“:

In Österreich ist im Schulpflichtgesetz eine Unterrichtspflicht festgelegt, die auch außerhalb von Schulen abgeleistet werden kann. Die Unterrichtspflicht beginnt mit dem auf der Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September, dauert neun Schuljahre und gilt für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten.
 Die Unterrichtspflicht kann durch den Besuch einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule erfüllt werden (die öffentlichen Schultypen, die diese 9 Pflichtschuljahre abdecken, werden Pflichtschulen genannt), sowie durch die Teilnahme an einem gleichwertigen Unterricht (in Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht, im häuslichen Unterricht oder in einer im Ausland gelegenen Schule). In Österreich kann ein Kind die Unterrichtspflicht durch die Teilnahme am häuslichen Unterricht erfüllen, falls dieser jenem an einer zur Erfüllung der Schulpflicht geeigneten Schule (Pflichtschule) gleichwertig ist. Voraussetzung ist wie bei Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht die Ablegung einer Externisten-Prüfung am Ende jedes Unterrichtsjahres vor einer staatlichen Kommission, welche zu prüfen hat, ob der Lehrplan erfüllt wurde. Aus diesem Grund wird die Schulpflicht in Österreich – wie in anderen Ländern, die solche Möglichkeiten zulassen – auch als Bildungs- oder Unterrichtspflicht bezeichnet.
Die Unterrichtspflicht wurde bereits von Maria Theresia im Jahr 1774 für Österreich und die unter habsburgischer Herrschaft stehenden Länder generell eingeführt (Dauer damals: 6 Jahre).
Außerdem gibt es eine zweite Form der Schulpflicht, diejenige im Rahmen der dualen Ausbildung Lehre/Berufsschule, die den begleitenden Schulbesuch verpflichtend macht. Diese Schulen heißen berufsbildende Pflichtschule, und die Schulpflicht erstreckt sich auf die – je nach Beruf – blockweise Absolvierungen des Bildungsgangs bis zur Lehrabschlussprüfung.

So weit die Grundinformationen aus "Wikipedia".

Maria Theresia war eine offenbar sehr weise Kaiserin. Sie hat erkannt, dass ihre Untertanen nur dann ihr eigenes Glück steuern können und ihrem Staat nützen können, wenn sie das notwendige Wissen dazu haben. Lesen, schreiben und rechnen zu können, war bis dahin nur das Privileg einer finanzkräftigen Elite und der Klöster und anderer kirchlicher Institutionen, was immer mit Kosten verbunden war, die sich ein gewöhnlicher „Untertan“ damals nie leisten konnte.

Maria Theresia löste damit das Bildungsmonopol aus der Hand der Kirche und machte daraus ein staatliches Monopol.

Und das ist es bis heute. Und das ist auch gut so. Unser heutiges Bildungssystem soll gewährleisten, dass jeder junge Staatsbürger die seinen individuellen Fähigkeiten entsprechende, bestmögliche Ausbildung erhält.

Und jetzt wird es „haarig“:

Kann der Staat das gewährleisten?

Heute leider nicht mehr!

Ich erinnere mich, dass, als ich noch in die Volksschule – Übungsvolksschule an der BLBA (Bundeslehrerbildungsanstalt) in Krems – zur Schule ging, meine Eltern mir zumindest bis zur 2. Klasse monatlich 5 Schillinge als „Schulgeld“ in die Schule mitgaben. Später wurde das „Schulgeld“ abgeschafft. Schule war ab diesem Zeitpunkt gratis und wurde komplett vom Staat bezahlt.

Und so ist das auch noch heute.

Schule war damals (1956 – 1971), als ich noch zur Schule ging, so eine Sache:

Lehrer waren Halbgötter und Gott, das war der Direktor der Schule. – Bis in die späten 70er-Jahre mussten an manchen Schulen die Schüler, wenn der Direktor oder auch ein anderer Lehrer den Klassenraum betraten – auch während des Unterrichtes – aufspringen und den Eintretenden im Chor mit einem „Grüß Gott“ begrüßen! Sie mussten dann so lange stehenbleiben, bis der die Klasse verlassen hatte, oder ihnen bedeutet wurde, sich wieder zu setzen! – Für den Klassenlehrer natürlich unangenehm, weil er die Schüler, die er auf ein bestimmtes Unterrichtsthema eingestimmt hatte, erneut darauf einstimmen musste.

 Mit solchen umfassenden Vollmachten ausgestattet, setzten uns unsere Lehrer damals ganz schön unter Druck. (Auch die Lehrer standen unter erheblichem Druck - und das bis heute: ältere Kollegen, Direktoren, Schulaufsichtsbehörde und in zunehmendem Maße: Eltern). „Der Lehrer ist berechtigt, jederzeit den Wissensstand seiner Schüler zu überprüfen!“, wurde uns damals immer wieder vorgebetet.

Jederzeit – wenn er wollte! Und wenn er nicht wollte?
Missliebige Schüler konnten so ohne weiteres auf einen „Fünfer“ geprüft werden und fielen einfach durch, weil sie keine Chance mehr bekamen, sich zu verbessern.
Nach einem bis zu 8 Stunden dauernden Unterrichtstag – der Samstag war damals übrigens noch nicht unterrichtsfrei – noch Hausübungen in drei oder mehr Unterrichtsgegenständen erledigen zu müssen, war nicht selten und eigentlich ganz normal.

Man regte sich manchmal darüber auf. Es half natürlich nichts, also musste man damit leben. Und wir lebten eben damit.

Schulstress? – Damals ganz bestimmt kein Thema! Gefragt war Leistung! Wer sie nicht brachte, geriet gnadenlos ins Hintertreffen und blieb oft genug einfach auf der Strecke. Gelegentlich hat die Wiederholung einer Schulstufe tatsächlich dazu geführt, den Betroffenen dazu zu bringen, darüber nachzudenken, was er wirklich wollte. Er stieg aus und sattelte um, oder er zog eben an.

Erinnert das nicht irgendwie an unser heutiges berufliches Umfeld?

Das Wort „Stress“ wurde übrigens erst sehr viel später erfunden. Wir empfanden diese Belastungen als völlig normal und unumgänglich. Niemand – wir selbst, unsere Eltern, irgendeine Schulbehörde und noch weniger irgendwelche Psychologen machten sich damals irgendwelche Gedanken darüber.

Psychotherapeuten? – Damals nur etwas für Filmschauspielerinnen und die unerfüllten Frauen der Superreichen! – Man lächelte darüber. Kein „normaler“ Mensch brauchte so etwas!

Sieht so aus, als wären wir damals für die heutige, moderne Zeit besser gerüstet gewesen, als unsere jüngeren Zeitgenossen aus der jetzigen Berufswelt!

Woher kommen denn solche Erscheinungen wie Stress, Überlastung, Burnout-Syndrom und andere heute so häufige psychische Erkrankungen?

Wenn man von der frühesten Kindheit an nicht daran gewöhnt wird, das Bestmögliche zu geben und es ängstlich vermieden wird, das Kind oder den Jugendlichen Stress auszusetzen, woher sollen sie dann Widerstandskräfte dagegen entwickeln? Woher wissen, wie man damit umgeht?

Wer nicht gefordert wird, fördert nichts!

Was, wenn der Chef von seinem Lehrling oder Angestellten – für diesen völlig unverständlicherweise und überraschend - plötzlich verlangt, anständige Arbeit in einer annehmbaren Zeit zu leisten, wenn das vorher noch nie irgendjemand von ihm verlangt hat?

Auch wir empfanden es ganz natürlich als angenehm und richtig, dass man später – leider erst nach unserer Schulzeit – dem Schüler das Recht einräumte, Prüfungstermine mit den Lehrern zu vereinbaren.

Aber wozu führt das vielfach?

Meist wird erst kurz vor der Prüfung gelernt. Für den nächsten Tag, den Prüfungstag, reicht das vielfach. Aber das zu überprüfende Kapitel ist damit oft abgeschlossen und niemand fragt einen mehr danach. Und so wird das Gelernte dann bald wieder vergessen.

Repetito est mater studiorum!

Das Gelernte ist ohne ständige Wiederholung nicht mehr präsent, wenn man es später wieder braucht. – Peinlich, wenn man dann im Beruf steht und plötzlich nicht mehr weiter weiß!

Das gilt für einen Mechaniker, der leider vergessen hat, wie ein Teil eines Motors funktioniert ebenso, wie für einen Arzt, der leider darauf vergessen hat, auf welche Erkrankung die Symptome seines Patienten hinweisen könnten!

Die Auswirkungen sind allerdings etwas unterschiedlich!

Unlängst (12.3.2013) habe ich gelesen, dass in Österreich jeder 5. Lehrling bei der Lehrabschlussprüfung durchfällt. – Schuld daran sollen natürlich wieder die Pflichtschulen sein!

Ach ja: Der Lehrstoff wird zunehmend immer mehr, der Schule werden immer mehr sogenannte „Unterrichtsprinzipien" aufgehalst (Meist erzieherische Probleme, mit denen das Elternhaus oder die Gesellschaft nicht fertig wird), die zur Verfügung stehende Unterrichtszeit kann nicht erhöht werden, von den Schülern verlangen, während des Unterrichts aufzupassen und mitzuarbeiten und dann noch daheim gewissenhaft ihre Aufgaben zu machen und auch noch zu lernen und das neben Freizeitaktivitäten, Spielen, Fernsehen, SMS, facebook, und „Abhängen“ könnte sie ja über die Gebühr stressen. Und das wollen wir ja nicht, oder?

Im Übrigen sind Lehrer heute mindestens 20% einer Unterrichtsstunde mit erzieherischen und vor allem disziplinären Maßnahmen beschäftigt. So nebenbei sollten aber auch noch Inhalte und Fertigkeiten vermittelt werden und schwächere und auch begabte Schüler – jeder nach seinen Bedürfnissen - gefördert werden. – Eine Mammutaufgabe! – Mehrere Lehrkräfte in einer Klasse oder in einem Klassenverband? – Fehlanzeige! Zu teuer!

Sie glauben ja gar nicht, wie lange es dauert, bis einer Lehrerin der 1. Schulstufe einer Volksschule es gelingt, die Kleinen daran zu gewöhnen, während einer Unterrichtsstunde sich - auch nur überwiegend - auf ihren Plätzen aufzuhalten! Das ist aber nur ein – wenn auch nicht unwesentlicher – Teilerfolg. Die nächste Hürde ist, einem Taferlklassler klarzumachen, dass er gelegentlich auch Dinge tun muss, die ihn momentan gerade nicht „gefreuen“. Also ihn an gemeinsames oder auch einzelnes Arbeiten zu gewöhnen und sich gelegentlich auch einmal anzustrengen. Zu akzeptieren, dass nicht alles von vornherein „gut“ ist, was er macht, sondern dass er es besser machen kann, wenn er es nochmals versucht und sich etwas mehr bemüht – also: übt!

Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen (oder: das Spiel)!

So hatten es uns unsere Eltern damals beigebracht.

„Spielerisch lernen“ ist heute ein immer wieder bemühtes Schlagwort. Klar. Das Spielen ist ein wichtiger Faktor zum Erlernen von Fähigkeiten und Fertigkeiten, die man im täglichen Gebrauch besitzen muss. Es ist lustbetont und unterhaltsam und nebenbei bleibt auch noch so Manches hängen, was man später auch wieder brauchen kann.

Aber da kommt irgendwann einmal eine Grenze.

Irgendwann einmal wird es mühsam, „spielerisch“ das Ziel zu erreichen. Auf einmal hört sich dann das „Spiel“ auf und schlägt in „Arbeit“ um. Und bei „Arbeit“ muss man dann eben trotzdem daran bleiben, bis man sie ordentlich und gewissenhaft (Gibt es dieses Wort heute eigentlich noch?) erledigt hat. Und wenn man das Erarbeitete sichern möchte, muss man eben auch üben und lernen – auch wenn das kein spannendes und unterhaltsames Spiel mehr ist.

Durch die Volksschule kommt man vielleicht gerade noch mit spielerischem Lernen, obgleich ich mich erinnere, dass ich für die Aufnahmsprüfung ins Gymnasium (1960) in Deutsch und Mathematik wesentlich mehr können musste, als heute einem 4.-Klassler zugemutet wird. – Und ich habe mir dieses Können sicher nicht „erspielen“ können, sondern ich musste mich auf meinen „Hintern setzen“ und eben konzentriert lernen!

In der 5. Pflichtschulstufe sollte dann allerdings allmählich die „Spielerei“ aufhören. Hier sollte doch tatsächlich auch der Lehrer in der Lage sein, sich jederzeit über den Wissensstand seiner Schüler zu informieren und das Wichtigste: Das Elternhaus sollte ihn dabei unterstützen und nicht quertreiben und die ihm vorgesetzten Dienststellen von der Direktion bis zur Landesschulbehörde sollte geschlossen hinter dem Lehrer stehen. Hier sollte im Bedarfsfall echt „Druck“ gemacht werden können!

Wir haben in Österreich eine allgemeine Schul(Unterrichts-)pflicht. Schule ist eine staatlich bezahlte Institution mit dem Ziel, seine jungen Staatsbürger bestmöglich auszubilden, weil sie ja später einmal Verantwortung für unser Land übernehmen müssen – jeder nach seinen Interessen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Möglichkeiten,.

Wer bezahlt, schafft an! – Das ist eine uralte Maxime.

Schule ist ganz bestimmt keine Servicestelle, wo jeder mitbestimmen darf, der glaubt, auch nur irgendetwas davon zu verstehen! Schule ist eine von der „öffentlichen Hand“ finanzierte Institution mit dem Ziel, ihre zukünftigen Verantwortungsträger auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten und keine wählerstimmenfördernde Spielwiese für karrieregeile Politiker oder experimentierfreudige, selbsternannte Erziehungs- und Bildungsexperten zusammen mit einigen notorischen Besserwissern, die hauptsächlich damit beschäftigt sind, sich anderer Leute Kopf zu zerbrechen!

Für die Schule werden Fachleute (Lehrer) aufwändig vorbereitet. Sie wissen daher genau,  "wo es lang geht“, sie sind Spezialisten, die in Bildungs- und Erziehungsfragen gefragt werden müssen,  und nicht irgendwelche Laien, die es gerade einmal mühsam geschafft haben, ihre eigenen Kinder (und nicht 25 davon) aus dem Schlimmsten herauszubringen und später erkennen müssen, dass sie mit dem Produkt ihrer eigenen Erziehung nicht zurechtkommen, oder solche, die einfach mit ihrer Zeit nichts anzufangen wissen und sich daher Gedanken über Dinge machen, von denen sie eigentlich wirklich nichts verstehen!

Gebt der Schule ihren Wert zurück!